«Für eine radikal gerechte Demokratie!»

– von Sibylle Berg

· Publikationen

In der Schweiz haben wir eine Form der direkten Demokratie, um die wir weltweit beneidet werden. Wir Bürger*innen können uns einbringen, per Abstimmung in vielen gesellschaftlichen Prozessen mitbestimmen und wir können Referenden gegen Beschlüsse unserer Volksvertreter*innen ergreifen.

Was in der Theorie beinahe perfekt klingt, hat in der Praxis einige schwerwiegende Mängel. Zum einen ist da die schnell voranschreitende Digitalisierung. Es wird immer offensichtlicher, dass die direkt-demokratischen Werkzeuge der Mitbestimmung aus einer Zeit stammen, in der eine digitale Zukunft und die damit einhergehenden Möglichkeiten noch nicht einmal angedacht waren.

Von der wirklich transparenten, digitalen Beteiligung der Bevölkerung am politischen Geschehen, wie beispielsweise im Pionierland Taiwan, sind wir in der Schweiz noch weit entfernt. Projekte, wie das E-Voting, sind aufgrund von Sicherheitsrisiken und mangelnder Transparenz gescheitert. Andere wurden auf Eis gelegt, weil selbst unsere demokratisch gewählte Regierung die Kompetenzen und den Mitgestaltungswillen der Bevölkerung unterschätzt hat.

Ein weiterer Mangel bleibt die Tatsache, dass auch in der Schweiz oft diejenigen, die über umfangreichere Mittel verfügen, die Stimmung der Bevölkerung zu ihren Gunsten beeinflussen können. Sei es mittels herkömmlicher Postwurfsendungen, Plakaten, TV- und Radiospots, oder durch Social Media-Kampagnen, die dank der Macht immer besser programmierter Algorithmen den Ausgang einer Abstimmung prägen können.

Die Weiterentwicklung der direkt-demokratischen Werkzeuge ist daher dringend notwendig. Denn nur eine Demokratie, in der unkompliziert und kostengünstig Unterschriften für Initiativen und Referenden gesammelt werden können, und in der – in einem nächsten Schritt – die Bevölkerung einfach Verbesserungsvorschläge einbringen und Anregungen äussern kann, ist eine Demokratie, in der die Fähigkeiten des Einzelnen zu einer Verbesserung der Lebensqualität für alle genutzt werden können. Denn es bedeutet: ehrliche Teilhabe und Gerechtigkeit.

Nur wenn wir als Bevölkerung der Schweiz die ersten Schritte in eine digitale direkte Demokratie wagen, wird es uns gelingen, auch die Generationen, die mit der Digitalisierung aufwachsen, miteinzubeziehen – das heisst, jene Bürger*innen der Schweiz, deren Zukunft oft von älteren Generationen verhandelt und entschieden wird. Und nur wenn wir zusammen bestimmen, wie wir uns die neue, umfassendere Demokratie vorstellen, wenn wir uns gemeinsam gegen zu einfache Antworten einsetzen und uns austauschen, denken, handeln, wird die Schweiz auch in Zukunft ein Land sein, das von der Welt beneidet wird. Denn in ihr bestimmt das Volk, wie es leben will.

Von einer neuen Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen, über bessere Gesamtarbeitsverträge für Pflegende oder die Altersvorsorge, bis hin zu lokalen Bauvorhaben und Umweltschutz: Lassen Sie uns gemeinsam einen weiteren Schritt in Richtung einer radikal gerechten Demokratie gehen, in der die Bevölkerung ihre Ideen einer besseren Zukunft einbringen kann. Gestalten wir konkret unser Leben. Jetzt.

 

Vorwort von Sibylle Berg für das Buchprojekt «Macht direkte Demokratie» (2020) der Stiftung für direkte Demokratie. Foto: Joseph Strauch.

 

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Die parteiunabhängige Stiftung für direkte Demokratie fördert die politische Partizipation der Bevölkerung. Sie unterstützt zivilgesellschaftliche Projekte, die auf Werten wie Menschenrechten, sozialer Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit beruhen.

Die Stiftung gewährleistet den Betrieb der Demokratie-Plattform WeCollect und stellt für die Lancierung von Initiativen und Referenden Wissen, Werkzeuge und finanzielle Mittel zur Verfügung. Als erste Crowd-Stiftung der Schweiz steht die Stiftung auf den Schultern einer wachsenden Community von engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Sie haben das Stiftungskapital geäufnet und finanzieren die laufende Projektarbeit mit Spenden.