Danke, Claude Longchamp!

Von Daniel Graf

· Jahresbericht 2023

Ich erinnere mich noch gut daran, wie nervös ich war, als ich Claude Longchamp 2013 zum ersten Mal in Bern persönlich traf. Als Teenager war er für mich so etwas wie der achte Bundesrat, zuständig für das Eidgenössische Departement für Wahlen und Abstimmungen, und das gefühlt auf Lebenszeit.

Später habe ich ihn auf Twitter wieder getroffen und bat ihn per Direktnachricht um ein Interview. Ich war überrascht, als er sofort zu sagte, um mit mir über den digitalen Wahlkampf und die Rolle der sozialen Medien zu sprechen.

Nach diesem Austausch riss der Kontakt nicht mehr ab. Mich beeindruckte seine Offenheit und Neugier für alles, was sich im digitalen Neuland abspielte. Dazu kam seine Leidenschaft für die direkte Demokratie, die wir teilten. Daher war es für mich auch keine Frage, von wem ich mir das Vorwort für das Buchprojekt «Agenda für eine direkte Demokratie» (2019) von Maximilian Stern und mir wünschte. Und wieder hat Claude sofort zugesagt, obwohl er gerade auf Weltreise war.

Ein Abschnitt seines Vorwortes ist mir geblieben. Claude schrieb: «Die Macht gehe vom Bürger aus, propagierten die Optimisten der Demokratie. Zyniker fügen an, sie kehre nie mehr zu ihnen zurück. Mit der Digitalisierung der Demokratie soll wenigsten ein Teil der Macht zu den Menschen zurückkehren.»

Claude erfasste mit wenigen Sätzen etwas, was im Kern meine ganze Arbeit ausmachte: Die Demokratisierung der Demokratie voranzutreiben. Darüber wollte ich nicht nur schreiben. Bereits vor dem Buchprojekt startet ich die Online-Plattform WeCollect, die als erste Unterschriften für Initiativen und Referenden im Internet sammelte.

Claude war einer derjenigen, die früh begriffen, dass ich einen kühnen Plan hatte: Ein Werkzeug zu entwickeln, um engagierte Bürger:innen zu unterstützen, unabhängig von Parteien und Organisationen die direkte Demokratie in die eigene Hand zu nehmen. Daraus entstand 2018 das erste «Twitter-Referendum» gegen die «Versicherungsspione». Zwar gelang erst 2021 mit dem E-ID-Referendum ein Abstimmungsieg, aber der Mobilisierungerfolg der Plattform WeCollect machte sie quasi über Nacht zu einem politischen Machtfaktor.

Im Austausch mit Che Wagner, Claude und anderen, die mit mir diese heikle Frage diskutierten, entstand 2019 die Idee, die Stiftung für direkte Demokratie zu gründen. Auch hier war Claude von Anfang an dabei, unterstützte das Projekt als Beirat der Stiftung und beteiligte sich am ersten Demokratie-Festival in Basel.

Thema seines Workshops war das Stimmrechtsalter 16. Claude überraschte erneut mit einer neuen Seite von sich: den Demokratie-Aktivisten. Er erzählte, wie er sich für das Stimmrechtsalter 18 eingesetzt hatte, als in den meisten Kantonen das Wählen und Abstimmen erst mit 20 Jahren möglich war. 1979 scheiterte dieses knapp an der Urne und wurde erst 1991 als «Geschenk» an die Jugend zum 700-Jahr-Jubiläum der Schweiz eingeführt.

Die tiefe Überzeugung, dass die Jugend eine politische Stimme braucht und dies die direkte Demokratie stärkt, macht Claude zum flammenden Verfechter des Stimmrechtsalters 16. In einer Zeit, in der Kommentator:innen wie kürzlich Beat Balzi, Chefredaktor der NZZ am Sonntag, der Jugend pauschal «Demokratiemüdigkeit» vorwerfen, braucht es Menschen, die kompetent dagegenhalten können. Darum hoffe ich, dass Claude noch lange auf allen Kanälen zu hören sein wird. Auch wenn wir ihn – auf eigenen Wunsch – aus dem Beirat der Stiftung verabschieden.

Wer Claude live erleben möchte, dem empfehle ich, mit ihm eine Stadtwanderung zu machen, die er weiterhin anbietet. In bester Erinnerung sind mir die «Demokratie-Wanderung» und die «Lobby-Wanderung» in Bern, die wir mit Stiftungs-Gönner:innen unternommen haben. Es war ein Feuerwerk an historischem Wissen und Anekdoten aus der Bundespolitik und Herzblut für unsere direkte Demokratie.

Lieber Claude, ich danke dir herzlich für dein Engagement und deine Freundschaft.

Daniel Graf, Stiftungsrat
Stiftung für direkte Demokratie

 

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Die Stiftung fördert die politische Partizipation der Bevölkerung und unterstützt zivilgesellschaftliche Projekte, welche sich für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung und Nachhaltigkeit einsetzen.

Gegründet 2020 als Stiftungsfonds unter dem Dach von Fondations des Fondateurs, gewährleistet die Stiftung den Betrieb der Demokratie-Plattform WeCollect und stellt digitale Werkzeug für die Lancierung von Initiativen und Referenden kostenlos zur Verfügung.

Als erste Crowd-Stiftung der Schweiz steht sie auf den Schultern einer wachsenden Community von engagierten Bürger:innen. Sie finanziert die laufenden Projektarbeit durch Spenden und Gönnerschaften.

 

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