Erfolg im Bundeshaus

Nationalrat spricht sich für Wahl- und Stimmrecht für Menschen mit Behinderungen aus

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Mit 109 zu 68 Stimmen und mit 16 Enthaltungen sagte der Nationalrat Ja zur Motion, die seine Staatspolitische Kommission (SPK-N) mit Stichentscheid von Präsidentin Greta Gysin eingereicht hatte.

Viele Selbstbetroffene setzen sich seit Jahren für dieses grundlegende Recht ein. Am Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, der am vergangenen Samstag in Zürich stattfand, war dies ein zentrales Anliegen, wie auch an der Behindertensession 2023.

Rund 16'000 Menschen haben heute in der Schweiz kein Stimm- und Wahlrecht, weil sie unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden.

Der aktuelle Artikel 136 der Bundesverfassung schliesst Menschen mit «Geisteskrankheit oder Geistesschwäche» von politischen Rechten aus – eine diskriminierende Bestimmung, die die Kantone Genf und Appenzell Innerrhoden abgeschafft haben. Kürzlich hat auch der Kanton Solothurn das Stimmrecht für alle Menschen mit Behinderungen beschlossen.

Als Nächstes wird der Ständerat über das Stimm- und Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen entscheiden. Stimmt er zu, arbeitet der Bundesrat einen neuen Verfassungsartikel aus, der der Stimmbevölkerung zur Abstimmung vorgelegt wird.

Der Entscheid des Nationalrats gibt auch der Inklusions-Initiative Schub! Wir müssen jetzt dranbleiben und weiterhin Druck auf das Parlament ausüben – für die effektive Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen.

Denn die Inklusions-Initiative ist in einer entscheidenden Phase: Um den Gegenvorschlag des Bundesrates zu einem echten Inklusionsgesetz weiterzuentwickeln, braucht es jetzt intensive parlamentarische Arbeit. Die Stiftung für direkte Demokratie wird dieses demokratiepolitisch wichtige Projekt weiterhin mit Rat und Tat begleiten.

Foto: Monique Wittwer, Einreichung der Inklusions-Initiative 5.9.2024

Stichwort «Inklusionspolitik»: Eine Gesellschaft ohne Barrieren

Die UNO-Behindertenrechtskonvention, die die Schweiz 2014 ratifiziert hat, versteht Inklusion als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich durch alle Lebensbereiche zieht – von Bildung und Arbeit über Wohnen bis hin zu Kultur und Freizeit.

Der neue Ansatz geht von einer einfachen Erkenntnis aus: Behindernd sind oft nicht die körperlichen oder psychischen Einschränkungen, sondern die Hindernisse in unserer Gesellschaft. Eine Rollstuhlfahrerin ist nicht durch ihre Mobilitätseinschränkung behindert, sondern durch die Treppe vor dem Geschäft.

Die UNO-Behindertenrechtskonvention gibt die Richtung vor: Statt Menschen mit Behinderungen als hilfsbedürftig zu betrachten, werden sie als Träger:innen unveräusserlicher Rechte anerkannt.

Dieser rechtebasierte Ansatz ist das Fundament einer Inklusionspolitik: Öffentliche Räume werden von Anfang an für alle zugänglich geplant, Informationen stehen auch in einfacher Sprache zur Verfügung, Arbeitsplätze werden flexibel gestaltet und selbstbestimmtes Wohnen wird zur Norm.